Gender Mainstreaming
Der professionelle Blick auf die Bewertung von Maßnahmen und Projekten unter der Kategorie des Geschlechts.
Das Institut FBI bietet zu diesem Thema Schulungen an und begleitet Projekte und Einrichtungen mit Gender Mainstreaming.
Die Bedeutung des englischen Ausdrucks ist klar, das soziale Geschlecht (gender) soll generell beachtet werden. Die unterschiedlichen Interessen der beiden Geschlechter unseres Kulturkreises sollen immer mitgedacht und berücksichtigt werden, um das Ziel der Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen oder ihm zumindest näher zu kommen.
Gender Mainstreaming wurde 1995 auf der Weltfrauenkonferenz in Beijing als durchsetzungskräftige Strategie gegenüber den nationalen Regierungen entwickelt. Das heißt, die nationalen Regierungen sind aufgefordert, in allen Politikfeldern und bei allen geplanten Maßnahmen nachzuprüfen, welche Auswirkungen ihre Politik auf die Situation der Frauen und der Männer hat. Aufgrund der gesellschaftlich benachteiligten Stellung der Frauen bedeutet es konkret, zu schauen, in welcher Weise geplante Maßnahmen die spezifische Lebenssituation von Frauen im Sinne der in den Dokumenten verabschiedeten Zielsetzungen wie Chancengleichheit verbessern. Daher wurde die Strategie des Mainstreaming im Vierten Aktionsprogramm zur Chancengleichheit der EU 1995 beschrieben. Damit war der Anspruch formuliert, dass in der gesamten europäischen Politik die Geschlechterverhältnisse in jeder politischen Konzeption berücksichtigt werden. Im Amsterdamer Vertrag wurde dieses Prinzip zur Verpflichtung.
Gender Mainstreaming soll Frauenförderung nicht ersetzen. Es soll die Geschlechterverhältnisse thematisieren und Vorschläge zur Verbesserung der Geschlechterparität machen. Natürlich wird das in einer Vielzahl von Fällen Frauenförderung bedeuten, aber es gibt auch schon Beispiele, in denen Männer vom Gender Mainstreaming profitieren.
Wesentlich am Gender Mainstreaming ist, dass es eine top down Aktivität ist, also von denen verordnet, die auch Umsetzungsmacht und Finanzierungsgelder bestimmen. Der Nachteil von Frauenpolitik und Frauenförderung war, dass ihre Forderungen von Frauen durchgefochten werden mussten, oft gegen den Widerstand von Macht und Geld. Frauen waren in die Rolle von Bittstellerinnen gedrängt und ihre Erfolgsaussichten waren vor allem unter konservativen Regimes gering.
Das Behandeln von Frauen als Problemgruppe, obwohl sie 52 % der Bevölkerung ausmachen, ist per se schon problematisch. Nicht Frauen sind das Problem, sondern die gesellschaftlichen Strukturen, die Frauen benachteiligen und ihre selbstbestimmte Entwicklung begrenzen.
Gender Mainstreaming analysiert die strukturellen Ursachen für die Unterschiede zwischen Frauen und Männern und zielt auf ihre Veränderung.
Männer müssen in diesem Weg zu Veränderungen einbezogen werden, sowohl als Akteure als auch als Betroffene. Gender Mainstreaming muss von Frauen und Männern gewollt und betrieben werden und Gender Mainstreaming muss auch die männliche Lebens- und Arbeitssituation erfassen. Gleichstellung kann nicht erreicht werden durch eine "Angleichung" der Frauen an männliche Muster. Gleichheit wird durch entsprechend veränderte Strukturen für Frauen und Männer erreicht. Die Männer sind aufgerufen an dieser Veränderung aktiv mitzuwirken, letztlich auch zum eigenen Vorteil. Das Spektrum an Handlungs- und Verhaltensmöglichkeiten und das Bewusstsein aller, Männer wie Frauen soll sich erweitern.
Bereiche, in denen Fragen der Gleichstellung besonders relevant sind:
- Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit
- Partizipation an Mitsprache- und Entscheidungsstrukturen
- Mobilität und Sicherheit
- Soziale Dienstleistungen und Infrastruktur
Gefahren des Gender Mainstreaming sind eine zu starke Fixierung auf die Unterschiede zwischen den Geschlechtern und die verkürzte Sichtweise, diese Unterschiede seien naturgegeben. Die Gefahr besteht, mit Gender Mainstreaming Frauenförderung grundsätzlich ablösen zu wollen.
Wer den Gender-Blickwinkel einnimmt, geht davon aus, dass die Lebensverhältnisse, auf die sich politische Entscheidungen beziehen, etwas mit dem Geschlechterverhältnis zu tun haben. Die den Frauen zugeteilten Positionen und Merkmale sind weniger wert, weniger attraktiv und mit weniger Chancen, Prestige und Macht versehen als die den Männern zugeteilten Positionen. Darüber hinaus ist das, was Frauen in dieser Gesellschaft zu tun haben, zweitrangig, wird weniger wahrgenommen und spielt in der Öffentlichkeit keine große Rolle. Die Spaltung der notwendigen Arbeit in bezahlte und unbezahlte, in öffentliche und private und die geschlechtsspezifische Zuweisung der Arbeitsformen ist einer der wesentlichsten Mechanismen zur Gestaltung des Geschlechterverhältnisses als eines hierarchischen. Dieses Geschlechterverhältnis wird durch soziale und politische Strukturen, also durch Gesetze, Versicherungssysteme, die Ausgestaltung der Infrastruktur, durch Bilder und Gewohnheiten hergestellt und aufrechterhalten. Durch Gender Mainstreaming wird dieser Status quo sichtbar gemacht und als ein konstruiertes und damit veränderbares System erfasst. In welche Richtung diese Verhältnisse verändert werden sollen, bedarf gesellschaftlicher bzw. politischer Zielsetzungen.
Genderkompetenz umfasst Kenntnisse aus der Frauen- und Geschlechterforschung, die Fähigkeit strukturelle Zusammenhänge zu erkennen und die Sensibilität für geschlechtsspezifische Verhaltensweisen und Rollenmuster.